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Freitag, 23. Mai 2014, 15:31

"Gloomy Sunday"

Hallo an alle LeserInnen,

Ich weiß nicht, ob das Thema in die Kategorie "Erfahrungsberichte" passt - wenn nicht, bitte verschieben. Aber ich wüsste auch nicht so richtig, wo ich es sonst hintun soll...

Es geht um das Lied "Gloomy Sunday" des ungarischen Komponisten Rezsó Seress. Er komponierte das Stück 1933, einen Tag nachdem er von seiner Verlobten verlassen wurde. Seitdem wird das Lied mit einer Reihe von Selbstmorden in Verbindung gebracht (laut Wikipedia "weitestgehend unbestätigte Vermutungen") und soll seine Hörer soweit beeinflussen und herunterziehen, dass diese in depressive Stimmungen verfallen und Suizidgedanken haben.
Sowohl der Komponist als auch die Frau, die ihn verlassen hatte, haben sich umgebracht, und das Lied wird öffentlich nicht mehr gespielt.

Ich bin auf der Suche nach etwas ganz anderem auf das Thema gestoßen und hab dann weiter recherchiert und mir das Lied mal angehört. Anfangs fand ich es recht nichtssagend, dann habe ich es noch ein paar Mal gehört und irgendwie ging meine bis dahin hervorragend gute Stimmung schlagartig in den Keller.
Das ist heute Mittag passiert. Normalerweise lasse ich mir von nichts so schnell meine Freitagnachmittaglaune verderben.
Kann es sein, dass bestimmte Musikstücke den menschlichen Geist so sehr beeinflussen, dass man sich umbringen will? (Also, nicht dass ich das jetzt vorhätte, aber ist das vorstellbar?)
Oder hat mich das Lied nur so derart beeinflusst, weil ich seine Vorgeschichte kannte und quasi drauf "gewartet" hab, dass was passiert?

Ist es möglich, dass Seress' Traurigkeit, als er das Stück komponierte, sozusagen in der Musik konserviert wurden und beim Hören wieder freigesetzt werden?
Was meint ihr dazu?

Ich bin gespannt auf eure Ansichten!

Liebe Grüße,

Ulysses

2

Freitag, 23. Mai 2014, 16:57

Hey! Wenn du mich fragst, würde ich vermuten, dass es auf der einen Seite natürlich die Geschichte war, die dir im Hinterkopf rumspukt und zum anderen vielleicht auch eineKlangfolge, die dir nicht liegt. Mit Tönen, bzw Musik kann man leicht unterschiedliche Stimmungen erzeugen.
Viele Grüße
Marco ;)

3

Freitag, 23. Mai 2014, 19:58

Huhu,

das Lied selbst habe ich mir noch nicht angehört, aber da ich viel mit Musik zu tun habe, hier meine Erfahrung: Mit Musik kann man ausgezeichnet Stimmungen ausdrücken, nicht nur mit einem bestimmten Text (wie hier wohl der Fall), sondern auch mit der Melodie an sich. Mein Hobby ist alte Musik (Renaissance und Barock), am liebsten nur instrumental. Da kommt so viel auf einen rüber als Zuhörer bzw. Musizierender, das ist ganz unglaublich! Manche Stücke rühren einen zu Tränen, andere machen einen richtig fröhlich und aufgedreht.

Deinen Stimmungswechsel kann man vielleicht dem Vorwissen zuschreiben, das du von dem Lied hast. Vielleicht ist es aber wirklich sehr melancholisch. Werde mir das Lied auf YouTube anhören und dann berichten, was es mit mir tut.

LG Medusa

4

Freitag, 23. Mai 2014, 20:29

Rezsó Seress hat 35 Jahr nach dem Komponieren des Liedes

seinen Selbstmord begangen. Da war er schon 69 Jahre alt. Ich bezweifle, dass das wirklich noch mit dem Lied in Verbindung gebracht werden kann.
Ich habe mir das Lied eben angehört. Wahrhaftig ist es ein eher trübseliges Lied (selbst, wenn man es sich nur instrumental gespielt anhört). Kennt man auch noch den Text, dann ist es sehr düster und bedrückend. So war damals seine Stimmung, als er das Lied schrieb. Verständlich... er hatte ja Liebeskummer.

Nehmen wir mal an, ich habe auch gerade Liebeskummer... da möchte man sich eh gern umbringen, weil man sich einbildet, ohne den "verlorenen" Partner nicht mehr leben zu können. Ich bin also zu Tode betrübt, und höre mir zufällig oder auch dummerweise diese Musik an... ja, da fällt mir nur noch der Sprung von der Eisenbahnbrücke ein.

Mir geht es ja auch so, wenn ich fröhlich bin, höre ich gern fröhliche Musik... wenn ich traurig bin, höre ich Depri-Musik. Und die baut mich nicht einmal auf, sondern bestätigt mich in meinem "Elend".
Ob das nun zufällig DIESES Lied war, oder irgendeine andere Depri-Musik... sie reißt uns alle stimmungsmäßig 'runter.

Du hast natürlich auch noch den Hintergrund des Liedes schon gewußt, und auch, dass damit Selbstmorde im Zusammenhang gebracht werden. Da bist Du natürlich schon im Unterbewußtsein beeinflusst.
Liebe Grüße Chrissi

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:thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

5

Freitag, 23. Mai 2014, 22:24

Huhu,

habe das Lied auf YouTube angehört und auch die Filme dazu gesehen. Es ist wirklich ein recht trübseliges Musikstück, aber ich kann nicht behaupten, dass es mich stimmungsmäßig negativ beeinflusst hat. Allerdings habe ich nach dem Anhören gedanklich gleich wieder umgeschaltet auf 'Wochenende' bzw. geplante Tätigkeiten, so dass da nicht echt viel hängen geblieben ist.

LG Medusa

6

Dienstag, 27. Mai 2014, 04:20

Ich kenn' das Lied in der Version von Sinead O'Connor. Ich spüre dabei vor allem, wie mir die Beine einschlafen bei dem Song. Das mag nun natürlich daran liegen, dass ich Metaler bin und mit dieser Musik nichts anfangen kann.
Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Film oder ein Lied einen Menschen in den Tod treiben kann - jedenfalls nicht, wenn vorher nicht schon ein beträchtlicher Schaden bei der Person vorhanden ist. Und selbst dann könnte man es immer noch auf 1000 andere Dinge schieben, zum Beispiel auf Brot - denn das haben fast alle Leute, die Selbstmord begehen irgendwann mal gegessen.

Allerdings wurde vor ganz vielen Jahren drüber nachgedacht, das Lied mal zu verbieten, weils ja angeblich zum Suizid führen kann. Ging natürlich nicht durch, trotzdem wird es meines Wissens nach nicht im Radio gespielt, das ist aber eher ein Gentlemen-Agreement der Sender.

Interessant finde ich eher die Tatsache, dass um die 100 Leute das Lied gecovered haben und auf diese Weise versuchen, den "Hype" um den Song für sich zu nutzen.
Wer Angst zeigt hat keinen Glauben...

7

Donnerstag, 29. Mai 2014, 13:29

Hallo und danke für eure Antworten!

Ihr scheint ja alle einer Meinung zu sein, dass das Lied keinesfalls so weit Menschen beeinflussen kann, dass sie sich umbringen. Der Ansicht bin ich auch, und wie man sieht, leben wir ja auch alle noch, trotz Anhörens des Stücks. Oh Wunder :D

Dennoch, glaubt ihr, man kann seine Gefühle in Musik (oder anderen populären Medien) gewissermaßen abspeichern und dadurch später andere Menschen beeinflussen kann? Oder ist Musik "nur" eine Aneinanderreihung von Tönen, die aufgrund subjektiver Wahrnehmung und Erfahrung beim Empfänger etwas auslösen, unabhängig vom Komponisten/Interpreten?
Denn wenn Gegenstände Energien oder Ähnliches speichern können, warum nicht auch Tonfolgen?

Sorry wenn meine Fragen blöde sind... Aber das Thema interessiert mich grade, und da frag ich euch gerne nach euren Ansichten :)

Danke fürs Lesen!

Ulysses

8

Donnerstag, 29. Mai 2014, 17:44

Doch,

ich denke schon, dass man sein Gefühle auch irgendwie in Musik abspeichern kann.
Wenn man gerade fröhlich oder traurig ist, dann wird ein Lied, welches man in dieser jeweiligen Stimmung schreibt, eben genau mit dieser Stimmung beseelt. Man wird kaum ein fröhliches Lied zustande bringen, wenn man gerade Liebeskummer hat. Und diese Stimmungen bemerken die Hörer des Liedes dann auch.
Liebe Grüße Chrissi

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9

Donnerstag, 29. Mai 2014, 19:52

Huhu,

meiner Meinung nach hat Musik einen größeren Einfluss auf unsere Gefühle, als wir uns bewusst sind. Als ich 14 war, hörte ich eine Melodie, gespielt von Richard Clayderman am Klavier, superromantisch, die ich immer noch im Kopf habe, wenn ich an bestimmte Momente damals zurückdenke. Diese Verbindung Situation - Musik ist sofort da, ob ich will oder nicht. Das gilt auch für andere Melodien und Situationen in meinem Leben, aber so stark wie die Sitation aus meiner frühen Jugend wird mich wohl nie mehr eine Melodie berühren.

LG Medusa

10

Freitag, 30. Mai 2014, 17:39

Huhu...
Für mich ist der Mensch ein wahrnehmendes Wesen und über die Sinne in dauerndem Austausch mit seiner Umgebung. Die Reize der Umgebung sind vielfältig, visuell, Gerüche, Temperatur, Geschmack, Klänge etc. Es gibt Reize, die bei uns eigene Rezeptoren antriggern und heftige Reaktionen auslösen. Es gibt Situationen, die man beobachtet, die man kaum ertragen kann, weil sie einen an bewusste oder unbewusste Situationen aus der Kindheit erinnern. Desgleichen mit einer Stimmung und Tonfrequenzen in einem Lied. Die können einen fix und fertig machen, wenn man selber eine damit verknüpfte, schwierige Erinnerung hat. Das mag in einem ganz krassen Einzelfall, wenn noch ganz viel anderer Stress dazu kommt, wirklich mal der Auslöser sein, ein Leben wegzuwerfen, aber den meisten Menschen tut das nichts. Dazu kommt dann noch der ganze Hype um so ein mystisches Stück, da wird dann auch ganz viel verdreht und übertrieben.

Ich habe auch so Melodien, die mich an Situationen erinnern bei denen ich gleich zu grinsen anfange, wenn ich sie mal wieder höre, Medusa. Claydermann gehort auch dazu ;)
Erleuchtung erlangen wir nicht durch Begegnungen mit Lichtwesen, sondern durch das Akzeptieren unseres eigenen Schattens

11

Montag, 2. Juni 2014, 03:02

Ich schätze, dass bei Musik wie bei anderer Kunst eine subjektive Wahrnehmung vorliegt, der Eine fühlt sich davon angesprochen, dem Anderen sind die Dinge egal. Ich selbst habe durchaus Musik, die mich berührt oder auch mal Aggression oder Freude auslöst. Um allerdings von Musik wirklich derart "beeinflussbar" zu sein, dass man sich zum Beispiel etwas antut - dann muss schon ein "Vorschaden" vorliegen, und damit meine ich eine entsprechende psychologische Erkrankung. Borderline-Erkrankte sind zum Beispiel extrem empfänglich, was äußere Einflüsse angeht. Menschen, die diese Neigung besitzen, kann man durch Musik oder auch bestimmte Filme oder Bilder durchaus in mittelschwere Krisen stürzen. Tiefe Melancholie ist diesen Menschen quasi zueigen, und Lieder wie "Gloomy Sunday" sind dann natürlich prädestiniert, um zu wirken.

Allerdings sind die Selbstmorde, die mit diesem Song in Verbindung gebracht werden, natürlich vor allem im englischsprachigen Raum vorgekommen. Dort wirkt der Song doppelt, die wenigsten Menschen bei uns sind SO fit in Englisch, dass sie nicht nur verstehen, sondern sich auch noch den Textinhalt derart zu Eigen machen, dass sie davon aus der Bahn geworfen werden.

Musik ist definitiv eine starke Art, sich auszudrücken. Einen noch tieferen Hintergrund sehe ich darin allerdings nicht.

Bei mir sind es Lieder aus meiner nicht so netten Vergangenheit, die mich immer noch komplett unter Strom setzen können und bei denen mein Aggro-Level sehr sehr schnell in nicht mehr gut regulierbare Zonen hochschießt.
Wer Angst zeigt hat keinen Glauben...